Rückblicke: Veranstaltungen zur Messe

Gemeinsame Auftaktveranstaltungen der Antiquaria Ludwigsburg und der Stuttgarter Antiquariatsmesse im Literaturhaus Stuttgart

Rückblick 2020

Saskia Limbach 2020Flugblätter und Fake News
Saskia Limbach über Einblattdrucke aus der Frühzeit des Buchdrucks

Montag, 20. Januar 2020

Mit dem Buchdruck wird zunächst die Produktion von Büchern oder Flugschriften verbunden. Doch gab es seit der Erfindung Gutenbergs auch eine große Zahl von gedruckten Einblättern, in der Forschung als Flugblätter oder Einblattdrucke bezeichnet und vor allem zur Zeit der Reformation weit verbreitet. Ihre Produktion war schnell und kostengünstig und so wurden sie vielseitig eingesetzt, um Produkte zu bewerben, Neuigkeiten zu verbreiten oder in vielen Fällen sogar, um Konflikte auszutragen. So nutzte etwa Herzog Ulrich von Württemberg (1487–1550) Flugblätter, um in politisch prekärer Situation um Unterstützung zu bitten und sogar, um aus dem Exil sein Territorium zurückzugewinnen.
Schon bald wurde dieses erste Massenmedium auch für die gezielte Verbreitung von falschen Informationen genutzt. Flugblätter mit Fake News über grausame Verbrechen oder angeblichen Wunderheilungen wurden häufig verteilt oder verkauft. Schriftzeugnisse skeptischer Zeitgenossen bieten uns spannende Einblicke in die damalige Medienwelt und zeigen, wie Flugblätter gezielt für politische Einflussnahme genutzt wurden.

Saskia Limbach, seit 2018 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Buchwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, promovierte über die Publikationsstrategien der württembergischen Herzöge im 16. Jahrhundert. Sie forscht und publiziert seit Jahren über die Produktion und Distribution von Einblattdrucken.

Rückblick 2019

Zweimal die ganze Welt umrundet
Reisende Frauen vom 4. bis ins 20. Jahrhundert

Freitag, 18. Januar 2019

Es waren oft Fernweh, Abenteuerlust und Wissensdurst, weswegen Frauen auf Reisen gingen. Andere hatten familiäre, religiöse oder politische Gründe, ihre Heimat zu verlassen.


Die erste bekannte Reisende, die einen Bericht aus eigener Feder hinterlassen hat, war die Klosterfrau Etheria, die um 380 auf Pilgerfahrt nach Konstantinopel ging; „Peregrinatio Etheriae″ wurde erst 1884 entdeckt. Um diese Zeit begab sich die Krankenschwester Kate Marsden zu den »Aussätzigen nach Sibirien« und Lady Florence Dixie nach Patagonien. Alexandra David-Neel überquerte zur Erforschung tibetischer Kultur den Himalaya und Ella Maillart nahm ihre Katze mit nach Südindien. Die Wienerin Ida Pfeiffer hat wohl den Rekord aufgestellt: Sie machte sich Mitte des 19. Jahrhunderts als Witwe auf den Weg und umkreiste zweimal die Erde. Frauen reisten natürlich häufig in Männerkleidung, manche schworen auf „einen guten festen Rock″.

Die Schilderungen aus weiblicher Sicht unterscheiden sich durchaus von denen der männlichen Reisenden, Berichte über das orientalische Frauenleben gibt es etwa nur von Frauen. Leider sind ihre Reisebücher immer noch nicht so bekannt, wie sie es verdient hätten.

Die Stuttgarter Antiquarin Inge Utzt, seit langem auf Werke von und über Frauen spezialisiert, stellte die „Ladies on Tour“ vor und las aus deren Veröffentlichungen.

Rückblick 2018

Was taugt dem Künstler das Buch?

Slevogt, Picasso, Grieshaber …

Montag, 22. Januar 2018

Mit der Stuttgarter Antiquariatsmesse und der Antiquaria in Ludwigsburg wird die Region alljährlich, jeweils Ende Januar, zu einem Mekka der Büchersammler aus aller Welt. Die diesjährige Auftaktveranstaltung war einem Thema aus dem weiten Feld der Buchillustration gewidmet.

Dem Fachmann so geläufig wie dem Laien ein Rätsel ist die Liebe des Künstlers zum Buch. Auch wenn Maler und Zeichner bereits druckgrafische Folgen erstellt haben, hat die Auseinandersetzung mit der festen Abfolge von Seiten in einem Buch noch ihre besondere Schaffenskraft hervorgelockt.

Der Vortrag von Stefan Soltek, Leiter des Klingspor Museums Offenbach, zeigte diverse Konzepte auf, die Künstler an unterschiedlichen Orten, zu unterschiedlichen Zeiten im 20. Jahrhundert entwickelt haben. Mehr oder minder klassisch bewerkstelligen sie die Illustration eines Textes, verschieden sind ihre Techniken – Liebe und Tod jedoch die Leitthemen bei ihnen allen. Und sie faszinieren durch ihren Umgang mit Farbe und Figur, ob Max Slevogt und Max Liebermann, Henri Matisse und Pablo Picasso, Hendrik Nicolaas Werkman und HAP Grieshaber oder Willi Baumeister und Felix Furtwängler.

Die von ihnen illustrierten und gestalteten Buchseiten zeigen einen eigenen Weg durch die Kunst der Jahrzehnte von 1900 bis Ende der Sechziger. Das seit 1953 bestehende Klingspor Museum als Ort der Internationalen Buch- und Schriftkunst ist eine reiche Quelle für Anschauungsmaterial.

(Foto © Linda Storm, Frankfurt a. M.)

Rückblick 2017

»Schön, schöner, am schönsten«

50 Jahre Stiftung Buchkunst

Montag, 23. Januar 2017

Die diesjährige Auftaktveranstaltung zu den beiden Antiquariatsmessen war anlässlich ihres runden Jubiläums der Stiftung Buchkunst gewidmet.
In ihrem Vortrag gab Katharina Hesse, Geschäftsführerin der Stiftung Buchkunst, einen Einblick über deren Wirken seit einem halben Jahrhundert, beginnend mit dem Zweck der Stiftung über die Arbeit der unabhängigen Fachjurys und die Kriterien für auszeichnungswürdige Bücher bis zu deren öffentlicher Präsentation.
Anhand ausgewählter prämierter Werke der Ausstellung »50 Jahre – 50 Bücher« gibt sie Einblicke in die Veränderungen der Buchkunst, erläutert Trends und die Bedeutung von technischen Innovationen bei der Gestaltung und Produktion der schönen Bücher. Fast 800 Titel aus allen Genres wurden von den Verlagen für den Wettbewerb 2016 eingereicht, 25 davon als »schönste deutsche Bücher« prämiert.

Es sind jeweils 5 Werke aus den Bereichen Literatur, Sachbuch und Wissenschaft, Kunst-, Foto-, Ausstellungskataloge, Kinder- und Jugendbücher sowie Ratgeber, die als vorbildlich gelten, Zeichen setzen und Strömungen auf dem aktuellen Buchmarkt zeigen.

(Foto © Uwe Dettmar)

Rückblick 2016

„Nicht mehr lesen! Sehen!“

Dienstag, 19. Januar 2016

Irme Schaber unternahm einen Streifzug durch die Fotogeschichte vom Neuen Sehen bis in die Nachkriegszeit.
Der Vormarsch des Visuellen begann in den 1920er Jahren, als die Fotografie zum Massenmedium wurde: illustrierte Zeitschriften erreichten Millionenauflagen, Fotobücher wurden zu einem neuen Ausdrucksmittel. Die fotografische Avantgarde orientierte sich nicht mehr an der Malerei, sondern am Film, reflektierte das Tempo der Zeit mit optischen Verfremdungen sowie einer neuartigen Material- und Sachfotografie.

1929 zeigte die Stuttgarter Werkbundausstellung „Film und Fotografie“ in einer epochemachenden Übersichtsschau internationale Positionen und Anwendungsgebiete der neuen Fotoästhetik. Nach 1945 knüpfte eine junge Generation auf der Suche nach möglichst ideologiefreien Räumen daran an – um sich, wie etwa die „Subjektive Fotografie“ und andere Strömungen, bald schon in neue Zeit-Bild-Experimente zu stürzen.

Irme Schaber arbeitet als Autorin und Dozentin zu Fotografie, Exil und Kulturgeschichte. Sie hat 2013 die große Biografie über die Fotoreporterin Gerda Taro veröffentlicht.

(Foto © Matthias Abbrecht)

Rückblick 2015

Gescheiterte Titel – die verborgene Seite der Literatur

Annette Pehnt, Anna Katharina Hahn und Jo Lendle
Lesung und Podiumsgespräch

Montag, 19. Januar 2015

Über 60 zeitgenössische Autorinnen und Autoren aus Prosa und Lyrik haben über einen frischgeschlüpften Titel geschrieben, der von ihnen selbst oder vom Verlag verworfen wurde. Dazu haben über 60 junge Graphiker für die Titel, die nie welche wurden, Buchumschläge entworfen.

Entstanden ist eine wunderbare Serie von Buch-Dummies, publiziert in dem jüngst erschienenen Band „Die Bibliothek der ungeschriebenen Bücher“. Titel sind eine Verlockung. In ihnen kündigt sich ein Werk an, das sich noch nicht zeigt, aber hinter dem Vorhang auf seinen Auftritt wartet. Titel öffnen Türen für noch nicht betretene Räume, aber nur einen Spaltbreit. Sie gewähren einen Blick in die Werkstatt, in die Konzeption und Poetik ihrer Autoren. Über Titel werden die Bücher zugleich vermarktet, bestellt, gelistet und rezensiert. Sie sind Schnittstelle zur Außenwelt und eine der Eintrittskarten in den Literaturbetrieb. Die Autoren wissen das nur allzu gut. Dennoch haben sie eine Beziehung zu ihren Titeln, die passioniert, obsessiv oder voller Reibung sein kann, aber eines niemals: leidenschaftslos.

Wenn Autoren und Verlage über Titel nachdenken, geht es dabei ums Ganze – jeweils aus einer genuin eigenen Sicht: darum, wie der Text sich dem Autor zeigt und zum Leser sprechen soll.

Rückblick 2014

Gemeinsame Auftaktveranstaltung der Antiquaria Ludwigsburg und der Stuttgarter Antiquariatsmesse mit Ulrich Raulff und Wulf D. von Lucius

Montag, 20. Januar 2014

Das Ende des Pferdezeitalters zieht sich in die Länge. Fast anderthalb Jahrhunderte dauert der Prozess. Als er beginnt, lebt Napoleon noch, als er endet, schreibt Claude Simon den Roman „La route des Flandres“. Dazwischen liegt das lange 19. Jahrhundert, das den Verbrauch von Pferden noch einmal in ungeahnte Höhen getrieben hat. Gleichzeitig hat es zahllose Federn in Bewegung gesetzt und eine Flut hippologischer Traktate entstehen sehen, deren sich heute allenfalls Historiker der Veterinärmedizin und Antiquare noch erinnern: ein versunkener Kontinent unserer Literaturgeschichte.

Ulrich Raulff, Direktor des Deutschen Literaturarchivs Marbach, arbeitet an einer Monographie über das Ende des Pferdezeitalters und gab in seinem Vortrag und dem anschliessenden Gespräch mit dem Verleger und Sammler Wulf D. von Lucius Einblick in den erstaunlichen Reichtum der so genannten „Pferdewissenschaft“ um 1800.

Rückblick 2013

Dirk Heißerer und Eberhard Köstler
Hedwig Pringsheim: Briefe an Katia Mann 1933 – 1941

Hintergründe einer Briefedition

Mittwoch, 21. Januar 2013

Im April 2013 erscheint im Wallstein Verlag Göttingen die vollständige und ausgiebig kommentierte Edition der 375 Briefe Hedwig Pringsheims aus München und Zürich an ihre Tochter Katia Mann in die jeweiligen Exilorte der Manns. Diese Briefe waren eine wichtige Quelle für die Biographien „Frau Thomas Mann“ und „Katias Mutter“ von Inge und Walter Jens. Für sich genommen sind diese Briefe aber ein literarisches und zeitgeschichtliches Zeugnis ganz eigener Art.

Der Herausgeber Dirk Heißerer gab einen Einblick in seine dreijährige Arbeit an diesem Projekt und zeigte neben ausgewählten Briefen auch Fundstücke wie den wiederentdeckten Katalog der mathematischen Bibliothek Alfred Pringsheims sowie Fotos, Exlibris und Widmungsausgaben.

Sein Gesprächspartner war der Antiquar und Autographenhändler Eberhard Köstler, von 2006 bis 2012 Vorsitzender des Verbands Deutscher Antiquare. Im Nebenberuf Musiker, setzte er zusamamen mit dem Gitarristen Lorenzo Petrocca kontrapunktische Akzente zum Musikverständnis der Familie Mann mit Ausflügen in den Jazz.

Dr. Dirk Heißerer ist Literaturwissenschaftler, Autor und Herausgeber sowie Veranstalter Literarischer Spaziergänge und Exkursionen (www.lit-spaz.de). Er ist Vorsitzender des Thomas-Mann-Forums München e.V. (www.tmfm.de) und wurde 2009 mit der Thomas-Mann-Medaille der Deutschen Thomas-Mann-Gesellschaft (Lübeck) ausgezeichnet.

Rückblick 2012

„Das Buch als Kunstwerk –
Künstlerbücher – das schöne Buch“

Mittwoch, 18. Januar 2012

„Für’s Schönheit verlangende Auge“, schwärmte Stefan George. Lao-Tse vergleicht ein schönes Buch mit einem Schmetterling: „Leicht liegt es in der Hand, entführt uns von einer Blüte zur nächsten und lässt den Himmel ahnen.“ Seit Erfindung der Buchdruckerkunst fasziniert die Menschen am Buch neben Text, Amüsement und Erkenntnis vor allem eines: seine Schönheit.

Wenn Holzschnitt, Kupferstich und Lithographie, Papier, Typographie, Buchmalerei und Einbandkunst eine Verbindung eingehen, wird das Buch zum ästhetischen Hochgenuss.

Über die vielen Facetten des Gesamtkunstwerks „Buch“ sprachen Annette Kulenkampff, Geschäftsführerin des Hatje Cantz Verlags, die Stuttgarter Sammlerin Akka von Lucius und Simone Schimpf, Kuratorin und stellvertretende Leiterin des Stuttgarter Kunstmuseums.

Rückblick 2011

Denis Scheck und Rainer Moritz
„Wieviele Bücher braucht der Mensch?“

Dienstag, 24. Januar 2011

Loriot verdanken wir die empirisch verbürgte Einsicht, dass plötzliche Regenfälle zum Betreten einer Buchhandlung führen können. Denis Scheck, Redakteur beim Deutschlandfunk und Moderator der ARD-Sendung „druckfrisch“, und Rainer Moritz, Leiter des Hamburger Literaturhauses und Autor zahlreicher Bücher, gehören zu jener Spezies von Menschen, die selbst bei größter Hitze forschen Schrittes jede erreichbare Buchhandlung ansteuern.
Das Leben dieser Sonderlinge gilt ganz und gar (oder: fast ganz und gar) den Büchern, und deshalb redeten sie an diesem Abend über frühe Leseerinnerungen, die Schönheit von Bibliotheken und Buchhandlungen, über Lieblingsautoren, Lebensbücher („Zettel“s Traum“, „Die kleine Hexe“ oder „Der Kutscher und der Wappenmaler“) und die Möglichkeit, aus Romanen etwas fürs Leben zu lernen. 
So war zu erwarten, dass sie im Laufe des Abends zudem über die Zukunft des e-books, den Bahnhof als Motiv in der Weltliteratur und die Chancen des VfB Stuttgarts sprechen und am Ende beide die titelgebende Frage der Veranstaltung exakt beantworten.